Die Herausforderung war etwas Grünes zu filzen ohne grüne Wolle zu verwenden.
Wie soll das denn funktionieren? Um diese Frage zu beantworten bzw. die Herausforderung zu lösen müssen wir die Farblehre bemühen. Aber von vorne.
Schaut man sich den Primärfarbkreis an, stellt man schnell fest, dass dieser – lt. Farblehre von Johannes Itten – aus drei Farben besteht: Blau, Rot, Gelb. Die Itten’sche Farblehre ist das bekannteste und heute noch gebräuchlichste System.
Kritisiert wird an Ittens Farblehre/Farbkreis jedoch, dass die Grundfarben seines Farbkreises bereits gemischte Töne sind.
Küppers vertritt in seiner Farblehre, dass die Grundfarben Cyan, Magenta und Kadmiumgelb sind. Nachzulesen unter Küpperscolor. Dort findet sich auch die Kritik an Ittens Farblehre mit entsprechender, für mich einleuchtender Erklärung.
Das Besondere an den Grundfarben ist, dass sie nicht aus anderen Farben gemischt werden können. Jedoch können aus ihnen alle weiteren Farben gemischt werden. Daher spricht man von Grundfarben bzw. Primärfarben oder auch Farben der 1. Ordnung.
Ein Grün sucht man bei den Primärfarben allerdings vergeblich. Um Grün zu erhalten, bedarf es eines Tricks. Der Trick nennt sich Mischen. Aus dem paarweise Mischen der Grundfarben entstehen die Sekundärfarben oder auch Farben der 2. Ordnung. Diese entstehen lt. Küppers durch folgende Kombinationen der Grundfarben:Hoppla, da ist ja das gesuchte Grün! Grün ist eine Sekundärfarbe und wird aus den Farben Cyan und Gelb gebildet. Und mit diesen kleinen Exkurs in die Farblehre erhalten wir die Lösung, wie man etwas Grünes filzt ohne grüne Wolle zu verwenden. Mit gelber und mittelblauer Woll, die nah an Cyan kommt, sollte ich demnach Grün erhalten … njein.
Mir ging es bei diesem Experiment weniger darum etwas Gegenständliches zu produzieren als mehr, mein Wissen über Farblehren aufzufrischen und den Grundstein für meinen Farbfilzprobenkatalog zu legen. Aber es kann ja nie schaden Altbekanntes neu zu beleuchten und sein Wissen aufzufrischen, oder?
Farbfilzprobenkatalog?
Ich hatte mir vor geraumer Zeit vorgenommen irgendwann eine Sammlung von Filzproben aus kardierten Farbmischungen anzulegen. Ich wollte herausfinden wie sich die zusammenkardierten Farben nach dem Filzen tatsächlich darstellen. Denn und das habe ich schon oft erstaunt festgestellt, so wie die gemischte und kardierte Wolle vor dem Filzen farblich wirkt, so muss sie noch längst nicht als fertige Filzfläche wirken. Da kann es zu überraschenden Ergebnissen kommen. Ihr kennt vielleicht dieses Phänomen? Warum nicht die Gelegenheit beim Schopf greifen und die Sammlung mit Grün beginnen?
Ich fischte ein gut abgelagertes Zitronengelb und ein helles Blau aus dem Wollregal. „Das wird bestimmt ein prima Maigrün!“, so mein Gedanke mit der Itten’schen Farblehre im Kopf. Vielleicht hätte ich besser auf Küppers hören sollen.
Neben der Mischung wollte ich durch Änderungen der Mengenverhältnisse mit der Farbigkeit experimentieren und schauen, wie sich das entstehende Grün verändert.
Ich mischte das Blau und das Gelb in drei Chargen in den Mischungsverhältnissen:
1 Teil Gelb : 3 Teile Blau
2 Teile Gelb : 2 Teile Blau
3 Teile Gelb : 1 Teil Blau
Beim Kardieren bemerkte ich bereits, dass es keine gute Idee war – zumindest für meine Herangehensweise – unterschiedliche Wollqualitäten von verschiedenen Anbietern zu verwenden.
Das Gelb, Merino 18 mic, fristete seit Jahren ein trauriges Dasein bei mir, da ich es, wegen seiner grellen, aggressiv wirkenden Farbe kaum einsetzte. Schlimmer als die Farbe empfand ich jedoch immer die m. E. n. ungenügende Qualität. Damit meine ich die vielen kleinen Knötchen in dem eher unsauber kardierten, kurzfaserigen Vlies, die sich auch beim Kardieren nicht auflösten.
Die hellblaue Wolle ist eine Merino 21 mic, eher langfaserig, und sehr sorgfältig kardiert.
Es passierte, was ich schon im Vorfeld ahnte, die beiden Qualitäten wollten nicht zueinander kommen. Jede Charge habe ich viermal kardiert. Zu weiteren Durchgängen fehlte mir dann aber die Lust. Eine gleichmäßige Vermengung würde das Filzen und Walken bringen müssen. Da war der Wunsch Vater des Gedanken. Hat nämlich nur bedingt funktioniert. Die Vermischung der Fasern war zu grob.
Herausgekommen sind drei Filzproben, die recht weit von einem frischen Maigrün entfernt sind. Sie sind eher in Richtung Türkis unterwegs. Warum ist aber ein türkiser Farbeindruck entstanden? Ich habe doch Gelb und Blau gemischt, so wie es Itten in seiner Farblehre beschreibt? Liegt es daran, dass ich kein Cyan (also eher türkis) genommen hatte und die Körperfarben, die Farben des Körpers (Wolle) entsprechend das Licht reflektieren? Vermutlich. Dieses „Phänomen“ diskutierten wir auch in der Zoom Sitzung vom 18.04.2022. Martina Hoffmann zeigt dies in ihrem Experiment sehr eindrucksvoll. Siehe Es grünt so grün – Episode 4.
Wikipedia erklärt es so: Der Farbeindruck entsteht, indem das auftreffende Licht reflektiert und dabei in seiner spektralen Zusammensetzung verändert wird. Dabei wirken zwei Eigenschaften des Körpers: Einerseits beeinflusst die Einfärbung (Pigmentierung) die Absorption des Lichts durch die spezifischen Elektronenkonfigurationen, andererseits die auf Grund der Oberflächeneigenschaften des Körpers entstehende Lichtstreuung. Die Streuung wird sowohl durch makroskopische Teilchen als auch durch quantenmechanische Effekte hervorgerufen.
Jetzt habe ich die ersten drei Farbproben für meinen Katalog, ob ich sie jemals so an einem Filzstück verwenden werde? Eher nicht.
Mit viel gutem Willen betrachtet erinnern sie mich an eine löwenzahnübersäte Frühlingswiese unter einem azurblauen Himmel. Die leuchtenden Farben machen mir jedenfalls gute Laune.
Text Doris Niestroj
Fotos und Grafiken Doris Niestroj
0 Kommentare