Wann auch immer sich die ersten grauen Haare zeigen, es macht einem deutlich, dass man schon ein paar Jahre auf diesem Planeten wandelt. Anfangs kann man sich noch etwas vormachen – wie ein ehemaliger Bundeskanzler das getan hat – und sich einreden, Farbe aus der Tube sei so etwas wie ein Jungbrunnen. Doch irgendwann muss die Tube größer werden und die Abstände zwischen den Färbeaktionen immer kürzer. Spätestens dann könnte man mal darüber nachdenken, ob es so sinnvoll ist, anderen etwas vorzumachen – oder gar sich selbst. Eine Lebensstrecke zu gehen und dabei Jahre zu sammeln kann nicht ohne Folgen bleiben. Auch wenn wir vielleicht mit den äußerlichen Veränderungsprozessen hadern – und davon gibt es wahrlich genug – ich möchte das Rad nicht zurückdrehen.
Der Fundus an Erlebtem, Durchschrittenem, Ertragenem, Gefeiertem und Gelerntem wird immer größer und schafft die Basis für das, was wir heute gerne als Resilienz bezeichnen. Lebenssituationen zu meistern, Ereignisse nicht sofort mit Katastrophenfantasien zu verknüpfen, sich der eigenen Stärken bewusst zu sein, hat unter anderem mit all den Widerfahrnissen des Lebens zu tun, die uns im Laufe der Jahre begegnet sind.
In sich ruhen zu können ist durchaus ein Geschenk, dass das Leben den Grau- und Weißhaarigen macht. Vieles tun zu können und nicht alles tun zu müssen…
Ach ja, und eines noch am Rande: Die Rolle der Großmutter hat einen evolutionären Vorteil für die Menschheitsentwicklung bedeutet. Ich bin mir sicher, das ist auch heute noch so. Wo Großmütter (und natürlich auch Großväter) sind, ist zusätzliche Geborgenheit, viel Erfahrungswissen und ab und zu auch zusätzliche Zeit – wenn wir nicht gerade mal wieder zum Tanzen gehen, ein Filzertreffen besuchen oder uns rote Schuhe kaufen gehen.
Autor Susanne Schächter-Heil
Bilder Delia Grimm
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