Ich wollte kein Spinnrad kaufen …
Ein Beitrag von Birgit Blumrich
Ich wollte kein Spinnrad kaufen – nur mal bisschen auf der großen Auktionsplattform stöbern. Mal gucken was derzeit für Spinnräder da sind… Vielleicht kann ich noch ein gutes Anfängerrad erstehen für meine Kurse? Oder vielleicht doch das ultimative Schnäppchen machen? …
Eines der Räder erregte meine Aufmerksamkeit, es hatte einen mir ungewöhnlich erscheinenden Rahmen und schöne Verzierungen, es sah nach Handwerkskunst aus. Viele Detailfotos verrieten – es war besponnen und das Holz schien ohne Wurmlöcher zu sein. Auch ansonsten konnte ich es gut beurteilen, war alles da, wo es sein sollte und schien intakt.
Trotz relativ niedrigen Angebotes (124€) wurde das Rad nicht verkauft und ich nahm Kontakt auf. Meinem Mann sagte ich lieber noch nichts. Das Rad stand in Dresden, meiner Heimatstadt, ca. 75km von mir entfernt, also bot ich an, mir das anzuschauen und Probe zu spinnen. Das war möglich.
Nach einigem Hin und Her fuhr ich dann auch und bereits beim Ankommen kam mir das Haus bekannt vor. Nun bin ich in diesem Stadtteil zur Schule gegangen und nicht weit davon aufgewachsen – aber auf den herzlichen Empfang war ich nicht vorbereitet: Eine ehemalige Schulkameradin meiner Kreuzschule Dresden öffnete! Und die Erinnerung setzte ein: In genau diesem Haus wurde vor vielleicht 17 – 18 Jahren im wiedergegründeten Schulchor eine Probe zum Weihnachtsoratoriumabgehalten – und wir sangen beide im Alt!
Das Spinnrad, ein antik erscheinendes Flachsrad, konnte ich nicht so recht anspinnen. Ich hatte allesdabei, aber der aufgelegte Antriebsriemen hatte zu große Knoten und ich war auch recht aufgeregt. Außerdem hatten wir viel zu quatschen! – Und dann bekam ich das alte Rad geschenkt. Ich war richtig erschrocken und sehr dankbar.
Wieder zu Hause nahm ich das Schmuckstück komplett auseinander und pflegte jede feine
Einzelheit- gedrechselte Verzierungen, Muster aus Bein, Bekrönungen in Form von Eicheln, das schöne Rad, den Knecht – und mit meinem inzwischen eingeweihten Mann bewunderten wir die genaue feine Holzkunst. Der Rocken ist später angefertigt worden, aber auch perfekt. Dann kam die Überraschung, eine handschriftlich eingebrannte Inschrift auf der Unterseite:
Ich entziffere sie als „Julius Preubsch, Görlitz d. 15ten August 1835“. Ein Eigentumsnachweis? Ein Hersteller? Es gibt das Wort Görlitz noch in Druckbuchstaben und ein Wort darüber, welches verschmiert ist, aber „Drechsler“ bedeuten könnte. Aber egal – eine solch wunderbar erhaltene Antiquität zu besitzen, ein fast 200 Jahre altes Spinnrad! Und Görlitz ist ja auch hier, nur 45 km entfernt.
Ich bin immer noch verliebt. Das Rad, so frisch geölt und mit Holz- und Lederpflegemitteln behandelt glänzt nicht nur, es spinnt sich auch sehr gut! Allerdings ist es echt kein Anfängerrad. Muss wohl nochmal bei Ebay gucken, Spinnräder sind bekanntlich Herdentiere …
Ich bin immer noch verliebt. Das Rad, so frisch geölt und mit Holz- und Lederpflegemitteln behandelt glänzt nicht nur, es spinnt sich auch sehr gut! Allerdings ist es echt kein Anfängerrad. Muss wohl nochmal bei Ebay gucken, Spinnräder sind bekanntlich Herdentiere …
Text Birgit Blumrich
Fotos Birgit Blumrich
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