Yasmin Groß hat Schafe und diese Schafe liefern Wolle, die Yasmin Groß dann verarbeitet. Das klingt erst einmal normal, es hat fast etwas Selbstverständliches. So selbstverständlich ist das aber gar nicht, denn die meisten Filzerinnen beziehen ihre Wolle von Händlern. Fertig „zubereitet“, gefärbt gekämmt und abgepackt. Daran ist weder etwas Ungebührliches noch ist es verwerflich.
Wir können nicht alles können und für so manchen Arbeitsschritt fehlt einem der Raum oder die Zeit. Wolle ist nicht gleich Wolle und deshalb ist es auch immer gut, wenn man für verschiedene Projekte verschiedene Wollsorten zur Verfügung hat, sie aus aller Welt beziehen kann. Unsere Lieferanten leben von Island bis Feuerland und von Lüneburg bis nach Afrika und noch weiter. Jede Rasse braucht anderes Klima und anderes Futter. Also macht es Sinn, sich gut auszusuchen, was zu einem passt oder zum geplanten Werk gut ansteht.
Es ist ja nicht nur bei der Wolle so, wir leben in einer Welt der Arbeitsteilung und des weltweiten Vertriebs. Das bringt Vielfalt und eine Menge anderer Vorteile – und es schafft Abhängigkeiten und manchmal sogar unsinniges hin und her Transportieren. Was mich viel mehr bewegt, ist der verlorengegangene Respekt. Wir sehen oft weder die Arbeit noch die Anstrengungen für Mensch, Tier und Natur. Wir nehmen bei einer Holzleiste, die wir im Baumarkt kaufen, überhaupt nicht mehr, wie, wo und wie lange der Baum wachsen musste. Wir ahnen ni8chts von dem Stress, den das Fällen der Bäume bereitet, welche Arbeitsschritte notwendig sind, um uns mit einer Leiste zu versorgen. Vom Frühstücksbrötchen bis zum Schlafanzug, vom Computerbildschirm bis zur Milch. Wir nehmen so vieles als selbstverständlich an und verlieren langsam die Wertschätzung aus den Augen.
Eine gute Freundin hat sich auf einem Hof vom Scheren der Schafe bis zum Filzen und Spinnen der Garne eine Woche lang durch die Herstellungsschritte gearbeitet. Sie war so begeistert und bereichert – vielleicht sollten wir alle uns wieder mehr auf die Ursprünge besinnen. Es könnte den Respekt stärken.


