Wer an seinen Weihnachtsbaum denkt, denkt doch bestenfalls noch an die Schäfchen in der Grippe, dass da noch ein ganz anderer Zusammenhang zu Schafen besteht, habe ich auch erst vor ein paar Jahren entdeckt. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat nämlich ein Shropshire-Schaf die Zwischenräume zwischen den Weihnachtsbäumen von Gras und Beiwuchs befreit, so dass der schöne Tannenbaum auch ungestört wachsen konnte. Das zumindest ist das Bevorzugte Einsatzgebiet für die Schafrasse, mit der wir uns diesen Monat näher befassen wollen.
Geschichte:
Das Shropshire-Schaf stammt, wie der Name schon vermuten lässt, aus dem englichen Shropshire. Dort wurde es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus lokalen Schafrassen gezüchtet und gilt seit 1859 als anerkannte Rasse. Die Beliebtheit der Rasse stieg zu Beginn rasant an, so dass sie zum Ende des 19. Jahrhunderts zur vorherrschenden Fleischschafrasse in England wurde. Auch in den USA schätzte man diese Rasse wegen seiner Anpassungsfähigkeit sehr, was sie auch dort zur zahlenmäßig größten Rasse werden ließ.
Die Spezialisierung der Rasse auf Wollleistung brachte aber einige Nachteile mit sich, die sie ab der Mitte des 20. Jahrhunderts stark in Bedrängnis brachte. Erst die Rückkehr zu den ursprünglichen Rassemerkmalen, die sie zur idealen Zweinutzbarkeit prädestiniert, ließ die Zahlen wieder steigen, so dass wir heute in den USA größere Bestände finden.
In England und Europa blieb die Zahl bis in die 1990er Jahre besorgniserregend gering. Erst die Entdeckung, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Schafrassen keine Koniferentriebe anfraß, rettete die Rasse vor dem Aussterben. Shropshire Schafe werden deshalb vor allem bei der Pflege von Weihnachtsbaum- und Obstbaumkulturen eingesetzt, da sie weder die Triebe der Nadelbäume verbeißen noch die Rinde der Obstbäume schälen.
Rassemerkmale
Das Shrophshire-Schaf ist ein mittelgroßes Fleischschaf mit einem langen, tiefen Rumpf und breitem Rücken. Das reinweiße Vlies ist schlichtwollig bei mittlerer Feinheit. Unbehaarte Körperteile sind dunkelbraun. Der häufig bis in die Stirn und an die Backen bewollte Kopf, ist mit schwarzen Stichelhaaren besetzt und hornlos. Die kräftigen Beine haben straffe Fesseln und feste Klauen.
Böcke erreichen eine Widerristhöhe bis zu 80 Zentimeter und wiegen dann etwa 120 Kilogramm. Mutterschafe sind bis zu 75 Zentimeter groß und erreichen ein Gewicht von 85 Kilogramm und darüberShropshire Schafe sind vor allem für ihre gute Anpassungsfähigkeit und gute Konstitution bekannt. Auch bei sehr kargem Futterangebot können sie aufgrund ihrer sehr guten Grundfutterverwertung noch hohe Leistungen erbringen.
Das Shropshire-Schaf besitzt eine gute Fruchtbarkeit, belegt durch konstant hohe Ablammquoten. Die ausgeprägte Mütterlichkeit und gute Milchleistung sind Gewähr für wüchsige Lämmer. Im Verhalten ist es ruhig, wodurch das Herdenmanagement erleichtert wird. Bei langer Brunstsaison ist die Erstbelegung bereits ab 8 bis 10 Monaten möglich.
Shropshire-Lämmer sind schnellwüchsig, wie obiges Foto zeigt. Hier wird ein gerade 4 Monate altes Lamm gesäugt, das bereits fast die Größe der Mutter erreicht hat. . Schon deshalb gelten die Schafe als gute Fleischrasse.
Außerdem liefern sie jährlich etwa 2,5 bis 3,5 Kilogramm Wolle, die durch ihre gleichmäßige Struktur und Qualität vielseitig einsetzbar ist.
Wolle
Das Vlies weist bei der ersten Sichtung keine ausgeprägten Besonderheiten auf. Die Wolle ist an allen Vliesteilen einigermaßen gleichmäßig lang und auch die Qualität unterscheidet sich kaum. Wie bei vielen schlichtwolligen Vliesen ist eine gleichmäßige Verschmutzung der Spitzen zu erkennen, die aber nicht weit in die Wolle eingedrungen ist und sich auf die Spitzen beschränkt. Nur die Regionen Bauch-Beine-Po sind regelmäßig stärker verschmutzt und sollten sofort aussortiert werden.
Die einheitlichen Wollhaare stehen sehr dicht und weisen eine feine Kräuselung auf.
Filzversuche
Da ich Shropshire Wolle wegen seiner wunderbaren Flaumigkeit liebe, hat mich die eher eingeschränkte Filzfähigkeit nicht weiter überrascht. Shropshire-Wolle filzt NICHT – nicht wie „gar nicht“ oder zumindest fast nicht.
Damit erübrigen sich sämtliche weitere Betrachtungen des Filzes und seiner Schrumpfung. Aber noch lange nicht erübrigt sich die weitere Betrachtung dieser Wolle. Gleich wie jede nicht filzende Wolle ergeben sich genau aus dieser nicht vorhandenen Eigenschaft einige Vorteile, die es zu nutzen gilt.
Erstens lässt sich nicht filzende Wolle hervorragend waschen. Das größte Problem beim Waschen von Wolle ist üblicherweise, dass sie nicht viel bewegt werden kann. Shropshire Wolle kann mit schlichter Seife sauber gewaschen werden, (aber nicht fettfrei) allein weil sie geknetet werrden kann und sich damit auch hartnäckige Verkrustungen lösen lassen. Anders als andere Wollsorten verfilzt hier nichts. Damit wird Shropshire-Wolle zu einer sehr guten Stopfwolle, die auch beim späteren Gebrach nicht oder nur sehr wenig verklumpt.
Zweitens lässt sich aus Shropshire-Wolle trotzdem ein schönes Fell filzen. Die Wolle wird sehr gut von z.B. Bergschafwolle festgehalten und ergibt so ein sehr schönes, standfestes Fell, das auch bei langem Gebrauch nicht zusammenfällt. Auch nach dem Waschen stellen sich die Fasern einfach wieder auf und das Fell ist so gut wie neu. Leider werden sehr wenige Felle aus diesen „schlichten“ Wollrassen nachgefragt, weil sie eher langweilig aussehen. Beim Sitzfell steht leider sehr oft die Optik im Vordergrund und nicht die Nützlichkeit. Im Gebrauch wären schlichtwollige Filzfelle den langhaarigen oder lockigen Fellen deutlich überlegen.
Aber es lässt sich drittens ja auch noch das „gedeckte Fell“ herstellen. (dieser Begriff ist eine Eigenkreation, ob die Technik von mir stammt ist nicht geklärt)
Hier wird das Fell nicht offen gelassen, so dass es im fertigen Objekt zu sehen ist, sondern von einer weiteren Schicht Wolle, Ähnlich einem Hohlkörper, zugedeckt und dann das ganze Kissen gefilzt. Im Inneren des Kissens entsteht so ein Filzfell, das von einer Schicht Filz überzogen ist. Im Vergleich zu ausgestopften Kissen wird die Füllung nicht verklumpen und sich auch beim Waschen nicht verschieben. Die Dicke ist gleichmäßig und nicht wie bei einem Kissen eher kugelig.
Fazit
Shropshire-Wolle ist die fluffigste Wolle, die ich kenne. Sie wehrt sich auch vollkommen zuverlässig gegen jeden Versuch sie zu verfilzen und ist deshalb erst mal für uns Filzerinnen von geringer Bedeutung. Sie eignet sich aber wie kaum eine andere als Stopf- und Füllwolle in jeder Form. Für jede andere Art der Bearbeitung ist Shropshirewolle hervorragend geeignet, weil sie auch ganz ohne chemische Behandlung nicht filzt und im Vergleich zu anderen nicht filzenden Wollsorten eher fein ist.